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Potenziale sportlicher Aktivitäten für das Erlernen der deutschen Sprache
Bewegung schafft in der Regel allgemein Sprachanlässe, durch die eine unbewusste, bewertungsfreie Kommunikation geschult wird. Es ergeben sich authentische erste Erfahrungen im Sprachkontakt und Spracherwerb für Kinder und Jugendliche. Sprachliche Zutrittsbarrieren sind bei sportlichen Aktivitäten eher sekundär und ein Zugang durch verschiedene nonverbale Ausdrucksformen möglich (vgl. van de Sand 2018). So ist es Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Herkunftssprachen und trotz fehlender oder geringer Deutschkenntnisse leichter möglich, sich einzubringen. „Dies wird besonders dann gelingen, wenn die Erfahrungen aus dem konkret erlebten Bewegungshandeln erwachsen und als Erkenntnisse auch wieder darin einfließen, indem Erfahrenes zur Sprache gebracht wird und Wirkungszusammenhänge in sehr anschaulicher Weise verdeutlicht werden“ (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NRW (2012): Lehrplan Sport Grundschule, S. 114). Denn der Zusammenhang von Sprache und Bewegung lässt sich als untrennbar zusammenfassen: „Bewegung und Sprache gehen ineinander über – sie beeinflussen sich gegenseitig. Bewegung begleitet das sprachliche Handeln, Sprache begleitet das Bewegungshandeln.“ (Zimmer 2016, S. 111). Wenn Schülerinnen und Schüler das sprachliche mit dem körperlichen Handeln verbinden, dann wird Sprache erfahr- und spürbar (vgl. Sültz 2011, S. 16–17).
Nachweislich sind körperliche Aktivität und Fitness nicht nur aus gesundheitswissenschaftlicher Sichtweise, sondern auch hinsichtlich des Bildungserfolgs von zentraler Bedeutung (vgl. Dadaczynski/Schiemann 2015, S. 197). Der empirisch belegte positive Zusammenhang hat zur Folge, dass Sport und Bewegung „als Ressource erfolgreicher Bildungsprozesse und somit als Teil des Kernauftrages von Schule“ (ebd.) gesehen wird und stärker mit den schulischen Kernfeldern in Verbindung gebracht werden sollte.
Das Unterrichtsfach Sport und der außerunterrichtliche Schulsport ist der Forderung zur Deutschförderung im Rahmen der Erstförderung von neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern ebenso verpflichtet wie jedes andere Fach und hat gerade durch das Alleinstellungsmerkmal der körperlichen Bewegung und der in hohem Maße außerunterrichtlichen Präsenz weitreichende Gestaltungs- und Darstellungsspielräume.
Die Mehrsprachigkeit von Schülerinnen und Schülern kann durch die Anschaulichkeit von Bewegung und der bildlichen Übertragung für das fachliche Lernen und das Erlernen sowie Festigen der deutschen Sprache produktiv eingesetzt werden. Darüber hinaus können die mehrsprachigen Ressourcen von Schülerinnen und Schülern auch zur Verknüpfung unbekannter Wörter und neuer Bewegungsabläufe und/oder zur Festigung von Lerninhalten effektiv genutzt werden. Der Einbezug von Mehrsprachigkeit schafft Möglichkeiten der Vernetzung zwischen neu zugewanderten und in Deutschland aufgewachsenen Schülerinnen und Schülern, die neben Deutsch noch weitere Sprachen miteinander teilen können. Zugleich findet Mehrsprachigkeit als Normalität Einzug in die Schule.
Vor diesem Hintergrund lässt sich schlussfolgern, dass die Deutschförderung von neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern unter Einbezug ihrer Mehrsprachigkeit in einem bewegungsreichen Umfeld erfolgen soll.
Schulsport steht auf zwei „Säulen“: dem lehrplankonformen Sportunterricht und dem außerunterrichtlichen Schulsport (Abbildung 1). Für beide Säulen gelten gleichermaßen die Rahmenvorgaben:„Die Rahmenvorgaben des Schulsports sind die pädagogischen Grundlegungen für den Schulsport aller Schulstufen und Schulformen in Nordrhein-Westfalen. Sie basieren auf dem Konzept eines erziehenden Schulsports und geben Schulen und ihren Bildungspartnern damit eine pädagogisch und didaktisch fundierte Legitimation und Orientierung zur Ausgestaltung der geltenden Kernlehrpläne und Bildungspläne im Sportunterricht sowie zur Planung und Durchführung von Angeboten im außerunterrichtlichen Bereich.
Der für alle Schülerinnen und Schüler verbindliche Sportunterricht ist die erste Säule des Schulsports. Mit einem festgelegten Zeitumfang basiert er auf den schulformspezifischen Kernlehrplänen und wird ausschließlich von Lehrerinnen und Lehrern gemäß § 57 Schulgesetz NRW erteilt. […]
Die pädagogischen und strukturellen Grundlagen der Rahmenvorgaben für den Schulsport geben auch Orientierung für die zweite Säule, den außerunterrichtlichen Schulsport. Dieser ist ein besonders geeignetes Handlungs- und Erprobungsfeld für Partizipation und freiwilliges Engagement von Schülerinnen und Schülern in Schule und außerschulischen Feldern, insbesondere Sportvereinen. Er bietet zudem an jeder einzelnen Schule einen offenen Rahmen für die Ausgestaltung bewegungs- und sportbezogener Profile.“ (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2014): Rahmenvorgaben für den Schulsport in Nordrhein-Westfalen, S. 5)Auch aktuelle fachpolitische Handlungsschwerpunkte im Bereich des Schulsports in NRW erkennen im Handlungsprogramm BEWEG NRW II, das zwischen Ministerium für Schule und Bildung des Landes NRW, Unfallkasse NRW und BKK NORDWEST für den Umsetzungszeitraum von 2021 bis 2025 vereinbart wurde, die Bedeutung des Zusammenhangs von Schulsport und Integration an und setzen darin einen Themenschwerpunkt, der im Programm unter dem Begriff „Schulsport und Vielfalt“ gefasst wird. Darin heißt es:
„Der nordrhein-westfälische Schulsport bietet viele Anlässe, die Vielfalt von Kindern mit und ohne Behinderungen, von Kindern mit und ohne chronischen Erkrankungen sowie von Kindern unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft, unterschiedlichen Geschlechts, Glaubens im Spiel und gemeinsamen Handeln zu erkennen und als Bereicherung zu erleben.
Zur Umsetzung des Handlungsprogramms in diesem Schwerpunkt gehören die Zusammenstellung und Verbreitung guter Praxis des gemeinsamen Lernens von Kindern und Jugendlichen in all ihrer Vielfalt.
Auch zukünftig wird es wichtig und notwendig sein, in diesem Handlungsschwerpunkt weiterhin tätig zu sein. Im Blick sollen dabei die Förderung und Integration von neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen und – in Anknüpfung an die Arbeitsschwerpunkte der Sportkommission der Kultusministerkonferenz der Länder – die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema ,Das chronisch kranke Kind im Sportunterricht‘ und der Umgang mit dem Geschlecht ‚Divers‘ stehen.“ (Unfallkasse NRW 2021, S. 7)Festzuhalten ist, dass das Bewegungs-, Spiel- und Sportkonzept (und ggf. Ganztagskonzept) und das Sprachbildungskonzept einer Schule miteinander zu verknüpfen sind.
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