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Ganzheitliche Sprachbildung als Querschnittsaufgabe einer sprachsensiblen und interkulturellen Schulentwicklung
Der Ansatz ganzheitlicher Sprachbildung schlägt sich in einem schulischen Gesamt(sprachbildungs)konzept nieder und ist als Querschnittsaufgabe einer sprachsensiblen sowie interkulturellen Schulentwicklung in einer mehrsprachigen Gesellschaft zu verstehen. Aus diesem Grund sind alle Bereiche der Schulentwicklung zu berücksichtigen und an die spezifischen Bedingungen einer Schule und ihrer Umgebung anzupassen. Die entsprechende inhaltliche Ausgestaltung der sprachlichen Bildung an einer Schule ist in einem gemeinschaftlichen Prozess zu erarbeiten. Dabei übernimmt die Schulleitung die Verantwortung dafür, dass ganzheitliche Sprachbildung als Querschnittsthema im Rahmen der Schulentwicklung als Qualitätsmerkmal angenommen und umgesetzt wird, und fördert aktiv die Akzeptanz innerhalb des Kollegiums.
Das komplexe Vorhaben, ganzheitliche Sprachbildung als Querschnitt in der Schulentwicklung zu verfolgen, sieht eine Verzahnung der ineinandergreifenden Handlungs- und Entwicklungsfelder auf der Organisations-, Struktur-, Unterrichts- und Personalebene vor: Während die Organisations- und Strukturentwicklung die Schule im Gesamten in den Blick nimmt, bezieht sich die Unterrichtsentwicklung auf das klassische Kerngeschäft der Schule und beschäftigt sich vorrangig mit fachlichen sowie didaktisch-methodischen Fragen. Da diese beiden Entwicklungsfelder maßgeblich von Personen getragen und realisiert werden, spielt die Personalentwicklung ebenfalls eine zentrale Rolle.4.1 Organisations- und Strukturentwicklung: Lernort Schule
Der Ansatz zur ganzheitlichen Sprachbildung im Leitbild einer Schule und im Schulprogramm schafft einen gemeinsamen und verbindlichen Orientierungsrahmen, dem sich alle professionell in der Schule Tätigen verpflichtet fühlen. Auf dieser Grundlage sind zur Konkretisierung ein schulinternes Curriculum zur sprachlichen Bildung, Konzepte und Maßnahmen entsprechend der spezifischen Bedingungen einer Schule und ihrer Umgebung in einem gemeinschaftlichen Prozess auszuarbeiten und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dafür schaffen Strukturen zur Implementierung einer sprachsensiblen Schulkultur und von sprachsensiblen Lerngelegenheiten (z. B. Steuergruppe, Qualifizierung pädagogischen Personals) innerhalb der Schule und die Arbeit in Netzwerken sowie Kooperationen mit Akteurinnen und Akteuren bzw. Institutionen außerhalb der Schule den Rahmen, um den Auftrag der Sprachbildung systematisch weiterzuentwickeln.
Die Schulleitung ist dafür verantwortlich, dass alle schulorganisatorischen Möglichkeiten für Maßnahmen von Sprachbildungsprozessen individuell an einer Schule ausgeschöpft werden, etwa durch die Beantragung von sog. Integrationsstellen insbesondere in den Handlungsfeldern A und B (BASS 14-21 Nr. 4). Dazu gehört auch, mehrsprachige Eltern(teile) über die Möglichkeiten des Herkunftssprachlichen Unterrichts zu informieren, das Potenzial der Stärkung der jeweiligen Herkunftssprache zu verdeutlichen und mehrsprachig aufwachsenden Schülerinnen und Schülern in der Primar- und Sekundarstufe I den Herkunftssprachlichen Unterricht anzubieten, sofern die vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt sind (BASS 13-61 Nr. 2).
Schule als Lernort für Sprachbildungsprozesse ist auch jenseits des Unterrichts zu berücksichtigen, indem Sprachlernmöglichkeiten ausgeweitet und weitere Lerngelegenheiten zum Aufbau von Bildungssprache geschaffen werden, beispielsweise durch Programme, Projekte und Veranstaltungen. Dabei geht es nicht nur um zusätzliche und spezifische Sprachbildungsangebote, sondern darum, auch in allen anderen fachbezogenen, allgemeinen sowie sozialen Angeboten einer Schule Sprachbildungsprozesse stets integrativ zu berücksichtigen und zu vertiefen. Die Möglichkeiten des Ganztags sind dabei stets mitzudenken.
Zugleich bildet neben der schulischen Innen- und Außenkommunikation, etwa über Beschilderungen oder die Homepage der Schule, auch die Interaktion zwischen unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren (pädagogisches und weiteres Personal, Schülerinnen und Schüler, Eltern) einen wichtigen Bereich, um im Rahmen der Organisationsentwicklung Sprachbildungsprozesse bewusst sprachsensibel – und somit auch mehrsprachig – zu gestalten.
Eine weitere wichtige Dimension im Rahmen der Organisations- und Strukturentwicklung in Bezug auf eine ganzheitliche Sprachbildung ist das gemeinsame Bildungsverständnis zwischen Schule und Elternhaus und basiert auf einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Eltern, die als Unterstützungsinstanz ernst genommen und auch in Sprachbildungsprozesse einbezogen werden. Eltern beeinflussen immer, wie schon zu Beginn erwähnt, die sprachliche Bildung ihrer Kinder. Insofern ist die Aufgabe der Schule, Eltern in Sprachbildungsprozessen zu stärken und zu unterstützen, damit diese die Bildung ihrer Kinder zu Hause bzw. im familiären Umfeld positiv vorantreiben. Dabei sind vorhandene mehrsprachige Potenziale von Eltern auch in der Schule in Konzepte, Maßnahmen und Veranstaltungen einzubeziehen, beispielsweise durch mehrsprachige Vorleseangebote oder im Programm „Rucksack Schule“.
Bei unzureichenden Deutschkenntnissen der Eltern sind vor allem in der Primarstufe Wege zu finden, Eltern sprachsensibel unter Berücksichtigung ihrer Mehrsprachigkeit in schulische Prozesse einzubeziehen, etwa durch Übersetzungshilfen bei Elterngesprächen oder mehrsprachige Elternbriefe. Diese Unterstützung trägt dem Integrationsgedanken der Landesregierung Rechnung.Grundsätze für die Schulstruktur und ‑organisation
Konkretisierungen
Sprachsensible Schulkultur schaffen
- Sprachbildung als Teil der sprachsensiblen und interkulturellen Schulentwicklung verstehen
- Sprachbildung in Leitbild verankern
- Verbindlichkeit für alle Lehrkräfte sowie für weitere Mitarbeitende (inkl. Verwaltung) schaffen
- Verantwortungsübernahme durch die Schulleitung
Verbindliche Strukturen für eine sprachsensible Schulkultur schaffen
- Sprachbildung im Schulprogramm verankern
- Schulinternes Curriculum zur Sprachbildung in allen Fächern entwickeln
- Absprachen und Strukturen zur Implementierung der sprachsensiblen Schulkultur und von sprachsensiblen Lernmöglichkeiten (z. B. Steuergruppe, professionelle Lerngemeinschaften, Qualifizierung des pädagogischen Personals) entwickeln
Netzwerke und Kooperationen aufbauen
- Netzwerkstrukturen zwischen verschiedenen Schulen aufbauen
- Unterstützung und Begleitung durch Externe einbeziehen, z. B. durch örtliches Kommunales Integrationszentrum, Beraterinnen und Berater für interkulturelle Unterrichts- und Schulentwicklung (BikUS), durch Schulpsychologie (vor allem an Standorten mit vielen neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern)
- Unterstützung durch Arbeit im Stadtteil/der Kommune mit interkulturellen Beraterinnen und Beratern, Mediatorinnen und Mediatoren sowie anderen regional und auch ehrenamtlich Tätigen
Ergänzende Maßnahmen zur Sprachbildung und Sprachförderung anbieten
- Möglichkeit zur Beantragung von sog. Integrationsstellen prüfen (BASS 14-21 Nr. 4)
- Eltern über die Möglichkeit des HSU beraten und HSU als Regelunterricht für angemeldete Schülerinnen und Schüler anerkennen
- Elternbildungsprogramme anbieten, z. B. „Rucksack Schule“
Elternzusammenarbeit stärken
- Mehrsprachigkeit von Eltern als Ressource wahrnehmen und einbeziehen, z. B. Vorleseabende
- Eltern darin bestärken, die Mehrsprachigkeit ihrer Kinder zu fördern
- Eltern in Sprachbildungsprozesse ihrer Kinder einbeziehen, z. B. im Landesprogramm „Grundschulbildung stärken durch HSU – Mehrsprachigkeit unterstützt das Bildungsprogramm der Kinder“
- Sprachsensible Ansprache von Eltern, z. B. mehrsprachige Elternbriefe
- Niedrigschwellige Angebote im Stadtteil/in der Kommune Eltern zugänglich machen, z. B. in Familiengrundschulzentren
4.2 Unterrichtsentwicklung: Unterrichtspraxis
Im Rahmen der Unterrichtsentwicklung sind didaktisch-curriculare Aspekte für die Gestaltung eines sprachsensiblen Unterrichts in den Blick zu nehmen. Eine sprachsensible Unterrichts- und Aufgabenkultur ist eine zentrale Gelingensbedingung für eine ganzheitliche Sprachbildung. Für den Unterricht in allen Fächern gilt, Sprachen im Unterricht bewusst zu nutzen, die sprachlichen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler entsprechend ihrer individuellen Ausgangslage in jedem Unterricht zu fördern und durch eine sprachliche Unterstützung fachliches Lernen zu verbessern.
Dieses anspruchsvolle Vorhaben erfordert zunächst ein Bewusstsein über die sprachlichen Anforderungen im jeweiligen Unterricht, eine sprachsensible Aufbereitung des Unterrichts in allen Fächern und eine systematische Hinführung an die jeweils geforderte Bildungs- und Fachsprache in allen sprachlichen Teilbereichen mit dem besonderen Fokus auf die fach- und schriftsprachlichen Kompetenzen in der deutschen Sprache. Zugleich wird die vorhandene Mehrsprachigkeit in einer Klasse produktiv in Sprachbildungsprozesse für alle Schülerinnen und Schüler einbezogen, unabhängig davon, ob diese ein- oder mehrsprachig aufwachsen, denn der Einbezug von Mehrsprachigkeit dient als Ressource für die Aneignung und Vermittlung von (Bildungs-)Sprache und fachlichen Inhalten. Die Lehrkräfte diagnostizieren die individuellen sprachlichen Voraussetzungen und Entwicklungsprozesse, indem sie die sprachlichen Lernstände erheben und dokumentieren. Bei diesen Verfahren sind auch die Voraussetzungen mehrsprachiger Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen.6)
Der Unterricht dient dazu, vielfältige Sprachanlässe zu liefern, so dass Schülerinnen und Schüler Möglichkeiten haben, das gesamte Spektrum ihrer sprachlichen Kompetenzen zu entfalten und zu nutzen. Das bedeutet also, dass der Unterricht sprachintensiv gestaltet werden sollte, etwa durch handlungsbegleitendes Sprechen und vor allem auch durch aktive Verarbeitungs- und Produktionsmöglichkeiten sowie durch komplexere mündliche sowie schriftliche Sprachhandlungen. So sollten bei der Sprachanwendung authentische und kontextgebundene Anlässe geschaffen werden, um Sprach- und Inhaltslernen miteinander zu verbinden. Fehler sind dabei als Teil des Lernprozesses konstruktiv aufzugreifen und in gute Lernarrangements zu überführen, so dass Schülerinnen und Schüler einen Wissenserwerb verzeichnen können.
Lehrkräfte sorgen für Lerngerüste, um Schülerinnen und Schüler über den individuellen Entwicklungsstand hinauszutragen (Scaffolding). Somit müssen sprachliche Strukturen und der fachspezifische sowie bildungssprachliche Wortschatz zur Verfügung gestellt und sprachsensibel aufbereitet werden und dürfen nicht vorausgesetzt werden, damit Schülerinnen und Schüler nicht an den sprachlichen Anforderungen scheitern und infolgedessen auch inhaltlich dem Unterricht nicht folgen können. So werden im Unterricht explizit Verbindungen von der Alltags- zur Bildungs- bzw. Fachsprache hergestellt und dabei (bildungs- und fach-)sprachliche Mittel bereitgestellt, um viele Lerngelegenheiten zu schaffen, Bildungssprache aktiv einzusetzen und weiterzuentwickeln, beispielsweise durch Lernplakate oder Reformulierungsaufgaben. Das Potenzial digitaler Medien ist für die Sprachbildung – und Sprachförderung – einzubeziehen, um sprachliches Lernen über digitale Medien mit ihren vielfältigen Angeboten und Möglichkeiten sinnvoll zu unterstützen.
Zur Gestaltung einer sprachsensiblen Lernumgebung sind für Lehrkräfte und weitere pädagogisch in der Schule und im Ganztag Tätige zusammenfassend bestimmte Grundsätze zu beachten, die in der folgenden Übersicht konkretisiert werden und Impulse für die Gestaltung durchgängiger Sprachbildung in der Schule und für sprachsensiblen Fachunterricht liefern:
Grundsätze für Lehrkräfte und pädagogisch Tätige im Unterricht
Konkretisierungen
Sprachsensibles Bewusstsein entwickeln und Wissen aufbauen
- Verantwortung für die gesamte Breite sprachlicher Bildung bei allen Schülerinnen und Schülern übernehmen
- Bewusstsein über die Komplexität (bildungs-) sprachlicher Anforderungen im Fach entwickeln
- Bewusstsein über Doppelanforderung (Inhalt und deutsche Sprache) für Schülerinnen und Schüler, die Deutsch erst in der Schule als Zweitsprache lernen, entwickeln
- Sensibilisierung für die Dauer und Herausforderungen des Erlernens von Bildungssprache (und einer neuen Sprache) entwickeln
Ressourcenorientierte Haltung einnehmen
- Mehrsprachigkeit sowie weitere sprachliche Ressourcen der Schülerinnen und Schüler wertschätzen, anerkennen und einbeziehen
- Expertise der Klasse einbeziehen
Sich selbst als Sprachvorbild wahrnehmen
- klar, deutlich und laut sprechen
- eindeutige Formulierungen verwenden
- variationsreich sprechen
- in kommunikativen Situationen nicht stark vereinfacht (oder grammatikalisch falsch) sprechen
Sprachintensive Lernumgebung schaffen
- eigenen Sprechanteil reduzieren (und Sprechanteil der Schülerinnen und Schüler erhöhen)
- komplexe und vielfältige, kontextgebundene Sprechanlässe für Schülerinnen und Schüler schaffen (z. B. durch offene Fragen, durch Sprechimpulse, wie „Erklärt, wie wir …“, durch Arbeitsaufträge)
- komplexe und vielfältige, kontextgebundene Schreibanlässe für Schülerinnen und Schüler schaffen
- selbstorganisiertes und kooperatives Lernen der Schülerinnen und Schüler ermöglichen
- handlungsbegleitetes Sprechen, z. B. bei Bewegungsabläufen im Sportunterricht oder bei der Durchführung von Experimenten im Chemieunterricht
Sprachliche Vorentlastungen, Sicherungs- und Reflexionsphasen einbauen
- relevanten Wortschatz und/oder geforderte Grammatikstrukturen vor und nach Anwendungen (geknüpft an den Fachinhalt) thematisieren
- Texte und Aufgabenstellungen, z. B. durch Scaffolding, Hervorhebungen, Wortschatzlisten, sprachensibel aufbereiten
- Hilfsmittel bereitstellen
- visuelle Unterstützung (z. B. Bilder, Videos, Hervorhebungen in Texten)
- (mehrsprachige) Wörterbücher, Apps, etc.
- Verständnis überprüfen und Wiederholungen einbauen (z. B. Überprüfungsfragen zur Sicherung von Arbeitsaufträgen stellen)
- einzelnen Personen Zeit zum Formulieren bzw. Schreiben geben
- eine gezielte Auseinandersetzung mit sprachlichen Strukturen ermöglichen
- Verknüpfungen zwischen verschiedenen Sprachen herstellen
Einen konstruktiven Umgang mit sprachlichen Fehlern pflegen
- korrektives Feedback geben (fehlerhafte Äußerungen richtig wiederholen)
- Expertise der Klasse einbeziehen
„Mithilfe von scaffolding sollen Schülerinnen und Schüler […] darin unterstützt werden, sich neue Inhalte, Konzepte und Fähigkeiten zu erschließen, sprachlich und fachlich. Lernende sollen also dazu gebracht werden, anspruchsvollere Aufgaben zu lösen als solche, die sie allein bewältigen könnten“ (Kniffka 2010, S. 1).
Scaffolds bilden ein Lerngerüst und dienen als temporäre Hilfen zum systematischen Lernen von Sprache, welche den Lernenden zur Verfügung gestellt werden, damit sie eine Aufgabe möglichst selbstständig lösen können. Das Konzept zur Planung und Durchführung von Unterrichtsvorhaben umfasst folgende vier Teilschritte:
1. Bedarfsanalyse: Was sind die sprachlichen und fachlichen Anforderungen des Lerngegenstandes? (Welche sprachlichen Mittel sind für die Bearbeitung und vor allem für die Unterstützung bei der Entwicklung fachlicher Inhalte wichtig? Gibt es bestimmte grammatikalische Strukturen oder Fachwörter, die Verwendung finden bzw. finden sollten?)
2. Ermittlung der Lernausgangslage der Schülerinnen und Schüler: Was sind die individuellen sprachlichen Voraussetzungen (inkl. mehrsprachige Ressourcen) der Lernenden?
3. Konkrete Planung mit der Formulierung der Lernziele: Unterrichtsmaterial auf sprachliche Anforderungen überprüfen, ggf. Hilfen zur Bewältigung bereitstellen
4. Unterrichtsinteraktion: Welche sprachlichen Unterstützungshilfen werden zur Erschließung des Fachinhalts zur Verfügung gestellt?
4.3 Personalentwicklung: Pädagogisches Personal
Um dem Anspruch einer ganzheitlichen Sprachbildung im Rahmen von Schulentwicklungsprozessen gerecht zu werden, kommt dem pädagogischen Personal – insbesondere Lehrkräften – eine entscheidende Rolle zu, da es für die Umsetzung von Konzepten, Maßnahmen und Unterricht zuständig ist. Aus diesem Grund ist es von entscheidender Bedeutung, dass alle pädagogisch Tätigen in der Schule und im Ganztag sich für die Sprachbildung der Schülerinnen und Schüler verantwortlich sehen. Dies setzt eine pädagogische Haltung voraus, die ein sprachsensibles Bewusstsein einschließt, welches die eigene Rolle mit Blick auf die Funktion als Sprachvorbild und auch als (Mit-)Verantwortliche für sprachliches Lernen (auch) zur Verbesserung des fachlichen Lernens begreift. Diese Haltung umfasst ebenso, alle Sprachen ressourcenorientiert als Bereicherung anzuerkennen und Mehrsprachigkeit für sprachliche Bildungs- und Inhaltsprozesse produktiv zu nutzen und zu stärken.
Angesichts der Bedeutung von Mehrsprachigkeit für sprachliche und inhaltliche Bildungsprozesse stellt sowohl die Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler als auch die der Lehrkräfte eine Bereicherung für die Schule dar. Dies betrifft in besonderer Weise Lehrkräfte und weiteres pädagogisches Personal, die selbst mehrsprachig aufgewachsen sind, beispielsweise Lehrkräfte des Herkunftssprachlichen Unterrichts oder weitere Lehrkräfte mit anderen Herkunftssprachen als Deutsch. Wünschenswert ist, dass diese Lehrkräfte ihr mehrsprachiges Potenzial in den Unterricht und schulischen Alltag einbringen (können). Zugleich liegt die Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit im Unterricht in der Verantwortung aller Lehrkräfte, auch wenn die Herkunftssprache(n) der Schülerinnen und Schüler von den unterrichtenden Lehrkräften nicht beherrscht wird/werden.
Im Rahmen von Qualifizierungsangeboten können Lehrkräfte und weitere pädagogisch Tätige für Aspekte der Sprachbildung sensibilisiert und zu den Grundlagen der Sprachbildung geschult werden. Angesichts der Bedeutung für das gesamte pädagogische Personal einer Schule bietet es sich an, die Erarbeitung dieser Inhalte schulintern zu organisieren und kontinuierlich zu verfolgen. Zusätzlich sollten ausgewählte Lehrkräfte zu spezifischen Themen geschult werden, beispielsweise zu Diagnoseinstrumenten oder sprachsensiblem Fachunterricht in bestimmten Fächern.
Die Inhalte einer sprachsensiblen Schulentwicklung dienen dazu, in die pädagogische Arbeit an der Schule überführt und an die spezifischen Bedingungen einer jeweiligen Schule angepasst und konkretisiert zu werden. Neben dem Grundlagenwissen für alle Lehrkräfte bringen ausgewählte Lehrkräfte ihre spezifische Expertise ins Kollegium sowie in die Schulentwicklung ein. Auf dieser Basis entwickeln die Lehrkräfte und das weitere pädagogische Personal einer Schule die erarbeiteten Inhalte einer sprachsensiblen Schulentwicklung weiter und evaluieren diese. Dabei werden Möglichkeiten geschaffen, die Unterrichtsqualität zu steigern, indem Impulse gegeben werden, sich mit dem eigenen Unterricht kritisch auseinanderzusetzen und neue Impulse für den eigenen Unterricht und die Schule einzubringen.
Ganzheitliche Sprachbildung erfordert eine konstruktive Zusammenarbeit im Kollegium. Absprachen und Abstimmungsprozesse sind unerlässlich, um ein einheitliches Vorgehen zu sichern und damit das sprachliche Lernen zu koordinieren und zu entwickeln. Durch kooperatives Arbeiten in fächerübergreifenden sowie -spezifischen und auch multiprofessionellen Teams und kollegialen Hospitationen können Synergien genutzt, Inhalte kontinuierlich weiterentwickelt und eine gegenseitige Unterstützung ermöglicht werden (s. Abbildung).
Lehrkräfte und weiteres pädagogisches Personal einer Schule erarbeiten, entwickeln weiter und evaluieren Inhalte einer sprachsensiblen Schulentwicklung
6 Eine Übersicht über Instrumente für sprachbiographische Beobachtungsbögen und Fragebögen finden sich beispielsweise unter BISS-Trägerkonsortium 2020, S. 10.
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