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Das Spiel in allen Fächern – Interdisziplinäre Anknüpfungspunkte
Leons Identität eignet sich aufgrund der erzählten Geschichte natürlich insbesondere für die Einbettung in Politik oder Wirtschaft-Politik. Darüber hinaus bietet es jedoch ebenso vielfältige Anknüpfungspunkte zu anderen Fächern und Fächerverbünden. Hierdurch ist es möglich, das Adventure-Game entweder losgelöst vom Einsatz im Politikunterricht in einem anderen Fach zu thematisieren, oder aber verknüpfend-interdisziplinär mit dem Spiel zu arbeiten. Im Folgenden werden daher kurz verschiedene Einsatzszenarien skizziert und Verbindungen zu curricularen Lernzielen hergestellt:
Das Spiel im Deutschunterricht
Durch seine Gestaltung als Point-and-Click-Adventure eignet sich Leons Identität u. a. für die Anbahnung literarischer Kompetenzen und Verstehensprozesse. In Leons Identität wird, ähnlich wie in problemorientierten Kinder- und Jugendromanen, die Geschichte eines verlorenen Teenagers erzählt, der sich selbst sucht und durch einschneidende Erlebnisse sein Leben infrage stellt. Hierdurch finden sich im Spiel zahlreiche Motive der Kinder- und Jugendliteratur, die die Schülerinnen und Schüler eventuell schon kennen und die als Ausgangspunkt für weiterführende Analyse- und Reflexionsprozesse genutzt werden können. Darüber hinaus ermöglicht das Spiel durch die Suche nach Hinweisen einen tiefergehenden Einblick in die literarische Figur Leon, seine Beweggründe, Handlungsmotivationen und Entwicklungsprozesse. Elemente, die das Figurenverstehen unterstützen, werden dadurch sehr deutlich gemacht und sind für jugendliche Rezipierende leichter zugänglich. Weiterhin eignet sich vor allem das abschließende Gespräch zwischen Jonas und Leon für einen tiefergehenden Blick auf Argumentationsstrukturen und Kommunikationsabläufe. Nur wenn Jonas eine positiv bestärkende Haltung einnimmt, gelingt es ihm, Leon zurückzuholen; hierfür bedarf es jedoch der richtigen Argumente. Im sprachorientierten Deutschunterricht ist es daher möglich, die unterschiedlichen Gesprächsverläufe gemeinsam im Klassenverbund zu analysieren und hinsichtlich der Passung von Argument und Gesprächssituation einzuordnen.
Bezug zu den Kompetenzen im Fach: Gespräche führen; Zuhören; Lesetechniken und -strategien; Umgang mit Sachtexten und Medien; Umgang mit literarischen Texten; Sprache als Mittel der Verständigung
Das Spiel im Kunstunterricht
Auch für den Einsatz im Kunstunterricht liefert Leons Identität vielfältige Anknüpfungspunkte: So machen Bild- und Raumkomposition die Spurensuche nach Leon überhaupt erst möglich. Sein Zimmer beinhaltet alle Hinweise, sagt durch seine Gestaltung jedoch auch unabhängig von diesen bereits viel über Leon aus. Der dargestellte und inszenierte Raum dient daher als Resonanzraum der Figur und wird zum zentralen Ort des Geschehens. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich dabei jedoch nicht nur mit der Raumkomposition auseinandersetzen, sondern auch einzelne Elemente identifizieren und anhand dieser Analysefähigkeiten im Bereich der Bilduntersuchung anwenden – egal ob Foto, Flyer, Plakat oder Zimmerwand. Auch eignet sich das Spiel zur Konstruktion eigener Bildwelten. Hier wäre es denkbar, weitere Spielräume zu Leons Identität zu konstruieren und sich so beispielsweise Stationen seiner Entwicklung künstlerisch handelnd anzunähern. Die Arbeit mit bildsprachlichen Gestaltungsmitteln zum Verstecken von Hinweisen könnte hier von zentraler Bedeutung sein, um – ähnlich wie bei der Fotobox unter Leons Bett – zentrale Indizien verschwinden oder auftauchen zu lassen.
Bezug zu den Kompetenzen im Fach: Produktion, Rezeption, Reflexion
Inhaltsfelder: Bildgestaltung (Inhaltsfeld 1); Bildkonzepte (Inhaltsfeld 2)
Das Spiel im Musikunterricht
Der Einsatz von Musik spielt in Leons Identität eine zentrale Rolle: Sein Musikgeschmack hat sich fundamental gewandelt, die alten Lieder, die er mit seiner Band gespielt und auch selbst geschrieben hat, gefallen ihm nicht mehr. Die Musik der „Atavistischen Aktion° sei „wahre Musik“ und „echten Texte“. Hierdurch stellt Leons Umgang mit Musik auf inhaltlicher Ebene ein deutliches Spiegelbild seiner Wandlung dar. Für den Einsatz im Musikunterricht kann es daher beispielsweise interessant sein, die Wirkung der unterschiedlichen Musikrichtungen auf Leon zu analysieren und hinsichtlich ihres Inhalts weiterführend zu betrachten. Das Thema Rechtsrock lässt sich so leicht thematisieren und spielinterne wie auch -externe Stücke können zu Analysezwecken herangezogen werden. Hinsichtlich einer ästhetisch-produzierenden Auseinandersetzung mit dem Spiel ist es jedoch ebenso möglich, gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern eine Hintergrundmusik zu bestimmten Szenen des Spiels zu gestalten und hinsichtlich der Spielpassung zu begründen. Welche Melodie spiegelt beispielsweise Leons Seelenleben wider, als er von der Beziehung zwischen Lina und Elyas erfährt? Welcher instrumentale Einsatz passt zum verzweifelten Jonas, der versucht herauszufinden, was mit seinem Bruder passiert ist? Derartige Leitfragen können helfen, sich dem Geschehen auf musikalische Art und Weise anzunähern.
Bezug zu den Kompetenzen im Fach: Produktion, Rezeption, Reflexion
Inhaltsfelder: Bedeutung von Musik (Inhaltsfeld 1); Entwicklung von Musik (Inhaltsfeld 2); Verwendung von Musik (Inhaltsfeld 3)
Das Spiel im Religionsunterricht (evangelische und katholische Religion)
Bereits nach dem ersten Durchstöbern von Leons Schreibtischschubladen wird klar: Im Rahmen des Spiels werden die Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen (Welt-)Sichten konfrontiert und müssen sich reflektiert mit ihnen auseinandersetzen. Ihre eigenen Perspektiven und Weltanschauungen (die ihre Entsprechung ggf. in den Gedanken und Anmerkungen von Jonas finden) kollidieren unter Umständen mit denen von Leon bzw. denen der rechten Szene. Während des Spiels gilt es daher für sie zum einen, die eigenen Vorstellungen genau wahrzunehmen und diese hinsichtlich der präsentierten Weltsichten zu analysieren. Darüber hinaus schlüpfen die Spielenden jedoch auch in die Rolle von Jonas und übernehmen als jüngerer Bruder Verantwortung für Leon. Im Gegensatz zu Leon erkennt Jonas auch das rechtsextreme Gedankengut als rassistisch und frauenfeindlich. Beides steht im harten Kontrast zur umfassenden Annahme und Wertschätzung eines jeden Menschen (durch Gott) im christlichen Glaubensverständnis. Sowohl im evangelischen als auch im katholischen Religionsunterricht bietet sich Leons Identität daher insbesondere für die Thematisierung der damit verbundenen Menschenbilder und den hiermit einhergehenden Verantwortungsgefühlen an.
Bezug zu den Kompetenzen im Fach: Wahrnehmungskompetenz, Urteilskompetenz, Dialog- und Gestaltungskompetenz
Inhaltsfelder (Schwerpunkt ev.): Christlicher Glaube als Lebensorientierung (Inhaltsfeld 2); Gerechtigkeit und Menschenwürde (Inhaltsfeld 3); Religionen und Weltanschauungen (Inhaltsfeld 5)
Inhaltsfelder (Schwerpunkt kath.): Menschsein in Freiheit und Verantwortung (Inhaltsfeld 1)
Das Spiel im Unterricht Praktische Philosophie
In Leons Identität stehen zentrale anthropologische Grundfragen im Mittelpunkt: Was bedeutet Freundschaft und Verbundenheit? Wie können mich andere Menschen verletzen? Wo finde ich Anerkennung, Zuspruch, Geborgenheit…auch in schwierigen Situationen? Und wie stehe ich zu bestimmten Themen, aus welchen Gründen? In ethischen bzw. philosophischen Diskussionen setzen sich die Schülerinnen und Schüler mit diesen Grundfragen auseinander und beziehen ihr eigenes Spielerleben mit ein. Diese können von dem einfachen Eindringen von Jonas in Leons Privatsphäre reichen bis hin zum Entwicklungsprozess Leons und seiner Radikalisierung. Anhand des Spiels und der vertiefenden Fallbeispiele (vgl. hier Unterrichtsstunde 5 und 6) lernen die Schülerinnen und Schüler, wie sie sich in bestimmten Situationen – respektvoll und dennoch kritisch – verhalten können, bzw. setzen sich insgesamt mit dem Prozess der Meinungsbildung auseinander. Darüber hinaus ist es ebenso möglich, medial vermittelte und in Leons Identität bereits angesprochene Bilder von Wirklichkeit zu diskutieren und hinsichtlich der eigenen Meinungsbildung zu reflektieren.
Bezug zu den Kompetenzen im Fach: Personale Kompetenz, soziale Kompetenz, Sachkompetenz
Fragenkreise: Frage nach dem Selbst (Fragenkreis 1); Frage nach dem anderen (Fragenkreis 2); Frage nach Wahrheit, Wirklichkeit und Medien (Fragenkreis 5)
Das Spiel vor dem Hintergrund des Medienkompetenzrahmens NRW
Mit Medien und ihren Erzeugnissen umgehen zu lernen, ist eine der zentralen Aufgaben des Schulunterrichts. Der Medienkompetenzrahmen des Landes Nordrhein-Westfalen gibt dabei einen Überblick, welche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen Schülerinnen und Schüler erwerben sollen, um in der digitalen Welt zurechtzukommen. Leons Identität bietet für die Arbeit zu den verschiedenen Teilbereichen verschiedene Anknüpfungspunkte:
Bedienen und Anwenden
Je nach Hardware lernen die Schülerinnen und Schüler in Leons Identität unterschiedliche Steuerungsmechanismen des Spiels kennen und unterscheiden diese voneinander. Daneben liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Orientierung im dreidimensionalen Raum, der nicht nur in Computerspielen, sondern in der digitalen Welt allgemein eine zentrale Gestaltungsstruktur des Visuellen darstellt. In Leons Identität erkunden die Lernenden diesen spielerisch und lernen, sich in ihm zu bewegen.
Informieren und Recherchieren
Um herauszufinden, was mit Leon geschehen ist, müssen die Spielenden sein Zimmer genau unter die Lupe nehmen. Hierbei wenden sie zentrale Informations- und Recherchemechanismen an, erweitern diese jedoch ebenso durch die ergänzenden Angebote des Spiels: Viele Elemente in Leons Identität sind an die Wirklichkeit angelehnt. Herauszufinden, was diese bedeuten und welche Entsprechungen sie aufweisen, kann Teil des Unterrichts sein. Weiterführende Informationen finden sich hierzu u. a. auf der Website des Spiels: www.leon.nrw.de
Kommunizieren und Kooperieren
Kommunikation und Kooperation sind auch in der digitalen Welt unverzichtbar. In Leons Identität stellen sie zum einen Thematiken dar – so versucht Jonas, verschiedene Kommunikationsformen zwischen Leon und der „Atavistischen Aktion“ zu entschlüsseln. Darüber hinaus bietet sich das Spiel jedoch auch methodisch dafür an, digitale Kooperationsformen zu erproben. So stehen bspw. alle Unterrichts-materialien auch digital zur Verfügung, mit welchen kollaborativ gearbeitet und Anschlusskommunikation ermöglicht werden kann.
Produzieren und Präsentieren
Das Beobachten und Herausfinden der Hinweise um Leons Verschwinden stehen zwar während des Spiels im Mittelpunkt, während der Ergebnissicherung werden jedoch vielfältige Produktions- und Präsentationsformen verwendet, um den Verstehensprozess der Schülerinnen und Schüler sichtbar zu machen. Hierbei wenden sie bekannte Gestaltungsmittel an und beurteilen diese anschließend anhand ausgewählter Qualitätskriterien gemeinsam im Klassenverbund.
Analysieren und Reflektieren
Die Entwicklung und der Wandel von Meinungen stellen zentrale Themen bei Leons Identität dar. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich während des Spiels konkret mit Leons Wandel auseinander und reflektieren vor diesem Hintergrund ihre eigenen Wahrnehmungen. Im Spiel erhalten sie einen Resonanzraum der eigenen Identitätsbildung und erfahren mediale Wirklichkeiten und Austauschmechanismen als Einflussfaktoren auf die eigene Realitätswahrnehmung.
Problemlösen und Modellieren
Insbesondere die Weiterarbeit zum Browsergame setzt im Bereich der Problemlösung und Modellierung an. Die Schülerinnen und Schüler sind angehalten, sich selbst Entscheidungswege für Leon zu überlegen und diese in einer digitalen Umgebung umzusetzen. Hierzu müssen sie algorithmische Muster und narrative Strukturen in verschiedenen Kontexten erkennen und plausibel übertragen.
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