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Worum geht‘s? – Das Spiel Leons Identität
Aufgebrachte Stimmen erfüllen den Flur, mit jedem Schritt die Treppe nach oben werden sie leiser. Die Polizei versucht, die verzweifelten Eltern zu beruhigen, für die die Welt seit Kurzem kopfsteht, denn: Ihr Sohn Leon ist verschwunden. Keiner weiß, wo sich der 18-Jährige befindet, keine Nachricht, kein Hinweis findet sich auf Leons Verbleib, die Beamten sind ratlos. Leons kleiner Bruder Jonas will das nicht hinnehmen und beschließt, selbst nach Hinweisen zu suchen. Doch als er Leons Zimmertür aufschließt, steht er vor einem Rätsel. Wo soll er anfangen? Wie soll er die Hinweise finden? Und was können diese ihm über das Verschwinden von Leon sagen?
Die Handlung: Worum geht es in Leons Identität?
Im Adventure Game Leons Identität schlüpfen die Spielenden in die Rolle von Jonas und versuchen mit ihm gemeinsam, das Rätsel um Leons Verschwinden aufzuklären. Hierbei suchen sie in Leons Zimmer nach Hinweisen, durchstöbern die Schreibtischschubladen und öffnen unter dem Bett versteckte Kisten. Die gefundenen Hinweise deuten schnell in eine Richtung: Leon scheint sich in den letzten Monaten der rechtsextremistischen Gruppe „Atavistische Aktion“ angeschlossen zu haben, die insbesondere Jugendliche durch Veranstaltungen, Musik und Schriften anzieht. Wie konnte es so weit kommen? Nachdem Leon herausgefunden hat, dass sich seine heimliche Liebe Lina und sein Freund Elyas angenähert haben, kam es zu einem eifersüchtigen Streit in der Clique und er fand bei der Bewegung Halt und Unterstützung. Leon sagt sich von Freunden und Familie los und fährt zum Sommerfestival der Gruppe, um sich dort mit Gleichgesinnten auszutauschen. Jonas und die Spielenden finden in seinem Zimmer daher auch eindeutige Broschüren und Bücher – beispielsweise mit den Titeln „Der große Austausch“ oder „Defend Europe“ –, Poster, Musik mit rechtsextremen Texten oder eine umgekehrte Deutschlandfahne über dem Bett.
Nachdem Jonas gemeinsam mit den Spielenden Leons Zimmer durchsucht und sein Handy geknackt hat, beginnt die zweite Phase des Spiels. Jonas erreicht Leon telefonisch. Die Spielenden müssen das erworbene Wissen anwenden: Je nachdem, wie viele Informationen, Erinnerungen und Hinweise sie gefunden haben, und abhängig davon, welche Gesprächsstrategie sie wählen, schaffen sie es, Leon zur Rückkehr zu bewegen. Anderenfalls verlieren sie ihn an die rechtsextreme Gruppe.
Hintergrundinformationen – Was steht hinter der „Atavistischen Aktion“?
Die „Atavistische Aktion“ ist im Spiel eine rechtsextreme Gruppe, der sich Leon angeschlossen hat. Vorbild für die Atavistische Aktion ist die „Identitäre Bewegung“; eine real existierende Gruppe, die der Neuen Rechten national wie international zugeordnet wird. In Deutschland ist die Identitäre Bewegung seit 2012 aktiv und verbreitet menschenfeindliches Gedankengut, insbesondere Ethnopluralismus und antimuslimischen Rassismus. Die Identitäre Bewegung wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet.
Weiterführende Informationen finden sich hier:
- Informationen zu „Identitäre Bewegung Deutschland e.V.“ in den Verfassungsschutzberichten des Ministeriums des Inneren Nordrhein-Westfalen: https://www.im.nrw/publikationen
- Informationen zu „Die Identitären – mehr als nur ein Internet-Phänomen“ der Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/241438/die-identitaeren-mehr-als-nur-ein-internet-phaenomen
- Kurzvideo „Identitäre Bewegung, was ist das?“ der Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/mediathek/182883/identitaere-bewegung-was-ist-das-kurz-erklaert-auf-bpb-de
- Artikel „Identitäre Bewegung – Nationalisten im Hipster-Gewand“ des Deutschlandfunks: https://www.deutschlandfunk.de/rechtsextreme-akteure-identitaere-bewegung-nationalisten-im.2897.de.html?dram:article_id=480507
Oder auch für einen Überblick:
Pfeiffer, Thomas (2019): Dem Mainstream auf der Spur. Ideologische Muster, strategische Ziele und Aktionsformen der „Identitären Bewegung“. In: Friese, Heidrun/Nolden, Marcus/Schreiter, Miriam (Hrsg.): Rassismus im Alltag. Theoretische und empirische Perspektiven nach Chemnitz, Bielefeld, S. 119–138.Die Figuren: Wer spielt eine Rolle?
Im Spiel interagieren die Spielenden als Jonas vor allem mit dessen Bruder Leon, es treten jedoch noch weitere Figuren auf, die für den Spielverlauf relevant sind.
Leon: Leon ist 18 Jahre alt und hat gemeinsam mit seiner Clique gerade das letzte Schuljahr abgeschlossen. Gemeinsam mit ihnen hat er eine Band gegründet, er selbst spielt Bass, da sie keinen Schlagzeuger finden konnten, spielt sein kleiner Bruder Jonas ebenfalls in der Band. Gemeinsam haben die Freunde schon viel erlebt, insbesondere die Liebe zur Musik und zum Zocken verbindet die sie. Nachdem er jedoch herausfindet, dass sich Elyas und Lina – in die er heimlich verliebt ist – angenähert haben, bricht er den Kontakt ab und wendet sich der rechtsextremen Gruppe „Atavistische Aktion“ zu. Hier findet er Trost und Halt.
Jonas: Jonas ist 15 Jahre alt, leidenschaftlicher Drummer und bewundert seinen großen Bruder Leon sehr. Als dieser verschwindet, setzt er alles daran herauszufinden, wo Leon geblieben ist, und versucht, ihn zur Rückkehr zu bewegen. Er selbst fühlt sich in Leons Clique wohl, hat aber auch gleichaltrige Freunde, mit denen er viel Zeit verbringt. Er interessiert sich sehr für Politik und ist gerade vor diesem Hintergrund erschrocken über Leons Lebenswandel.
Lina, Elyas und Emily: Lina (18 Jahre alt), Elyas (19 Jahre alt) und Emily (19 Jahre alt) sind Teil von Leons Clique und seine Bandmitglieder. Lina ist leidenschaftliche Zockerin, Emily mag alles, was mit Technik und Elektronik zu tun hat, und Elyas ist eine Sportkanone. Nachdem Elyas und Lina zusammenkommen, kommt es zu einem Zerwürfnis zwischen Leon und der Gruppe, da er heimlich in Lina verliebt ist. Die Clique hat keine Ahnung, wohin Leon verschwunden sein könnte, sie tauchen aber immer wieder in Erinnerungen auf, die Jonas beim Betrachten mancher Fotos von Leon einfallen.
Die Spielmechanik: Wie steuert man das Spiel?
Bei Leons Identität handelt es sich um ein Point-and-Click-Adventure aus der Ego-Perspektive. Die Spielenden schlüpfen nicht nur in die Rolle von Jonas, sondern sehen die Spielumgebung auch durch seine Augen und können sich dementsprechend in Leons Zimmer bewegen. Hierzu werden die „WASD“-Tasten der Tastatur genutzt, um im Raum voranzukommen. Mit der Strg-Taste kann Jonas sich ducken. Mit der Maus oder einem Touchpad wird die Laufrichtung im dreidimensionalen Raum gesteuert oder auch der Kopf bzw. die Kamera gedreht.
Die Dinge, die in Leons Zimmer zu finden sind, können die Spielenden mit einem einfachen Mausklick ansteuern. Hierbei wird dann angezeigt, um was es sich handelt, meistens kontextualisiert Jonas den gefundenen Gegenstand oder Hinweis in einer kurzen Textpassage. Gefundene Gegenstände können auch miteinander kombiniert werden, sodass man beispielsweise den gefundenen USB-Stick zum Computer tragen und einstecken kann. Alle gesprochenen Passagen werden durch Untertitel nochmals ausformuliert, sodass die Spielenden leicht nachlesen können, was Jonas, Leon oder einer ihrer Freunde gesagt haben.
Das Spiel im Unterricht: Themen, Ziele und curriculare Anbindung
Leons Identität eignet sich aufgrund der Spielthematik insbesondere für den Einsatz im Fach Politik, Wirtschaft-Politik sowie Gesellschaftslehre der achten Klasse. Das Spiel bietet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Themen wie Rechtsextremismus und Radikalisierung spielerisch zu erarbeiten und sich mit den dahinter stehenden Beweggründen auseinanderzusetzen.
Das Point-and-Click-Adventure setzt dabei auf die fiktive Darstellung realer Strukturen rechtsextremistischer und insgesamt radikaler Bewegungen. So finden sich für alle Gestaltungsaspekte reale Entsprechungen: die „Atavistische Aktion“ im Spiel ist an die Identitäre Bewegung angelehnt, die in Leons Zimmer ausliegenden Zeitschriften und Bücher besitzen ebenfalls ein Pendant in der realen Wirklichkeit der Schülerinnen und Schüler.
Mit Leons Identität ist es möglich, curriculare Lernziele der Kernlehrpläne aller Schulformen zu erreichen, die sich insbesondere an den Inhaltsfeldern „Sicherung und Weiterentwicklung der Demokratie“ und „Identität und Lebensgestaltung“ orientieren:
Bsp. Realschule – Sekundarstufe I
Inhaltsfeld 1: Sicherung und Weiterentwicklung der Demokratie
- Grundlagen des Rechtsstaats: Gewaltenteilung, Verfassungsstaatlichkeit, Grund- und Menschenrechte
- Gefährdungen der Demokratie: Extremismus, Antisemitismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
- Partizipation in der Zivilgesellschaft
- Rolle der Medien im politischen Willensbildungsprozess
Konkrete Beispiele:
Die Schülerinnen und Schüler- erläutern Ursachen, Merkmale und Erscheinungsformen von Extremismus, Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
- benennen Formen, Chancen und Grenzen zivilgesellschaftlicher Partizipation
- beurteilen die Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch Populismus und Extremismus, insbesondere durch Rechtsextremismus
Bsp. Gymnasium – Sekundarstufe I
Inhaltsfeld 2: Sicherung und Weiterentwicklung der Demokratie
- grundlegende politische Handlungsoptionen sowie die Sicherung und Weiterentwicklung der verfassungsrechtlichen Ordnung
- Auseinandersetzung mit politischen Formen, Inhalten, Prozessen und Partizipationsmöglichkeiten
Konkrete Beispiele:
Die Schülerinnen und Schüler- erläutern Ursachen, Merkmale und Erscheinungsformen von Extremismus, Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
- benennen Formen, Chancen und Grenzen zivilgesellschaftlicher Partizipation
- beurteilen die Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch Populismus und Extremismus, insbesondere durch Rechtsextremismus
Das Spiel ist selbstverständlich an beiden bzw. allen Schulformen mit beiden Inhaltsfeldern verknüpft.
Darüber hinaus bietet es vielfältige Anknüpfungspunkte zur interdisziplinären Arbeit mit weiteren Fächern und Fächerverbünden – u.a. Deutsch, Kunst, Musik etc. – oder auch zur weiterführenden Projektarbeit (vgl. hierzu Kapitel „Das Spiel im Projektunterricht – Erweiterung, Vertiefung, Reflexion“).
Der Hintergrund des Spiels
Das Spiel Leons Identität wurde im Auftrag der Staatskanzlei und des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen durch das btf Game Department entwickelt und 2020 veröffentlicht. Es zielt darauf ab, Jugendliche für das Thema Rechtsextremismus und Radikalisierung zu sensibilisieren und Medienkompetenzen zu entwickeln.
Materialliste für den Unterricht
Wenn Sie das Spiel im Unterricht einsetzen möchten, brauchen Sie …
- Computer/Laptops/Tablets für je 2 SuS mit Internetzugang
- Kopfhörer/Headsets (können von den SuS mitgebracht werden)
- Kopfhörerweichen/Mehrfachstecker
Technische Anforderungen des Spiels
Leons Identität kann kostenlos für Windows, Linux und MacOS über die Spielhomepage https://leon.nrw.de/index.html heruntergeladen werden.
- Benötigter Speicherplatz: ca. 3 GB
- Betriebssystem: Windows 7 bzw. MacOS 10.12 oder höher
- Prozessor: Quadcore Prozessor mit 2.5GHz Prozessor bzw. Dual Core oder höher
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