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Situationskarten
Situationskarte 1: Christian (15),
Schüler an einer Gesamtschule am NiederrheinDie Situation:
Christian ist Schüler in einer neunten Klasse an einer Gesamtschule am Niederrhein. In seiner Klasse ist er seit der Grundschulzeit mit einigen anderen Jungen befreundet. Er spielt zusammen mit seinem Mitschüler und langjährigen Freund Cem im lokalen Fußballverein in der B-Jugend. Dort sind auch einige andere Schüler, viele mit Migrationshintergrund, in verschiedenen Altersklassen tätig. Eigentlich war es Christian immer egal, mit wem er zusammen Fußball spielt.
Doch seit Beginn der neunten Klasse kommt er nicht mehr zum Fußballtraining. Er meidet den Kontakt zu seinen Mitschülern, und zwar ganz besonders zu denjenigen, die einen Migrationshintergrund haben. Stattdessen verbringt er viel Zeit in den sozialen Netzwerken. Seinen Freunden und Abonnenten fällt auf, dass er seinen Musikgeschmack total geändert hat. Und ständig postet er Links und Videos mit politischen Inhalten. Dort geht es oft um die Frage, wie viele Flüchtlinge Deutschland noch verkraften kann, dass in Wirklichkeit große Firmen mit jüdischen Banken im Hintergrund Corona verursacht haben oder dass deutsche Frauen sich abends nicht mehr auf die Straße trauen, weil so viele „Ausländer“ unterwegs sind.
Mit Cem redet er zwar noch in der Schule, aber oft wirkt Christian abwesend und verärgert. Irgendwie ist er nicht ganz bei der Sache, findet Cem. Er beschließt, Christian nach der Schule darauf anzusprechen, was eigentlich los ist. Vielleicht hat Christian ja irgendwie Stress mit seinen Eltern? Als er Christian anspricht, reagiert sein Mitschüler wütend. „Cem, ich hab echt nichts gegen dich, aber ich muss jetzt echt mal sagen, dass es mich total ankotzt, dass echt ÜBERALL nur noch Türken und Araber unterwegs sind. Bei uns im Fußballverein, in der Schule, hier in der Stadt – eine Shishabar nach der nächsten, überall nur noch Wettbüros. Wir Deutschen werden doch hier total verdrängt. Im Fußballverein wurde ich auch zuletzt nur noch als Einwechselspieler eingesetzt, weil ja der Furat so ein toller Fußballer ist. Ey, du bist echt in Ordnung, wir kennen uns auch schon megalange, aber ich hab einfach die Schnauze voll. Und überhaupt, bald sind wir Deutsche hier echt nur noch Gäste! Ich hab da keinen Bock mehr drauf. “
Cem ist total sprachlos. „Junge, Christian, was ist los mit dir? Ich erkenne dich ja gar nicht wieder.“ Christian macht ein verächtliches Gesicht, schüttelt seinen Kopf und wendet sich von Cem ab.
Eure Aufgabe:
Nach dem Gespräch wendet sich Cem an euch. Er bittet euch um Hilfe und will von euch wissen, was er und andere Freunde machen können, um in Ruhe mit Christian reden zu können. Dafür sollt ihr Folgendes tun:
- Diskutiert, welche Äußerungen von Christian noch vertretbar sind und welche ein Anzeichen dafür sind, dass er hier eine radikale Meinung vertritt. Sucht auch nach anderen Anzeichen für eine Radikalisierung.
- Notiert in eurer Präsentation die jeweilige Äußerung oder das Verhalten und erläutert, ob die jeweilige Handlung noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist oder ob man hier eingreifen müsste.
- Entwickelt Vorschläge, was Cem (oder andere Mitschüler*innen) machen kann, um Christian davon zu überzeugen, dass seine Ansichten falsch sind. Bedenkt dabei, dass es nicht darum geht, Christian Vorwürfe zu machen, sondern ihn von seiner Meinung abzubringen. Schreibt eure Vorschläge in der Präsentation auf.
- Differenzierungsaufgabe:
Recherchiert im Internet: An welche Personen und/oder regionale Anlaufstellen können sich Schülerinnen und Schüler wenden, wenn sie Erfahrungen mit rechtsextremen Äußerungen machen?
Stellt in der Präsentation eine Liste zusammen und erläutert kurz zu jeder Person oder jeder Anlaufstelle, welche Art von Hilfe (oder Information) man hier bekommt.
Situationskarte 2: Ahmat (15),
Schüler an einem Gymnasium im RuhrgebietDie Situation:
Ahmat ist Schüler in einer achten Klasse an einem Gymnasium im Ruhrgebiet. Er ist ein guter, fleißiger Schüler, der auch schon zum Klassensprecher gewählt wurde. Sowohl auf dem Schulhof in den Pausen als auch bei gemeinsamen Unternehmungen ist er ein Schüler, der sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen gleichermaßen akzeptiert ist.
Seit Ende der Sommerferien ist Ahmat aber irgendwie verändert. Er spricht die Schulleiterin an und verlangt, dass ein Raum für die Gebete muslimischer Schüler freigehalten wird. „Es ist Pflicht für jeden Gläubigen, fünf Mal am Tag zu beten, auch in der Schule.“ Er spricht muslimische Mädchen in der Klasse an und beschwert sich, dass diese teilweise kein Kopftuch tragen. Dies sei, so sagt er, „haram“. Außerdem kritisiert er die Bekleidung vieler Mitschülerinnen. „Die laufen rum wie Schlampen, keine ehrbare Frau macht so etwas!“
Schließlich weigert er sich im Deutschunterricht, die schon seit letztem Schuljahr geplante Besprechung eines Jugendromans durchzuführen. „Außer dem Koran lese ich nichts mehr, andere Bücher sind nur etwas für Ungläubige!“ Als andere muslimische Jungen und Mädchen ihn zur Rede stellen und auch den anderen nicht muslimischen Mitschülerinnen und Mitschülern erklären, dass seine Behauptungen falsch sind, reagiert er verärgert. „Was wisst ihr denn schon, ihr seid doch so Freizeitmuslime, redet mal nicht so, wann wart ihr das letzte Mal in der Moschee?“
Ahmat ist mies drauf. Richtig mies. Nur manchmal hellt sich sein Gesicht auf. Er erzählt von einer neuen Moschee, die er seit Anfang der Sommerferien besucht. Er erzählt seinen Mitschülerinnen und Mitschülern: „Das ist so super dort! Da hab ich endlich verstanden, was Islam bedeutet. Der Imam dort predigt den wahren Islam, dort müsst ihr auch hingehen, alles andere ist falscher Glaube!“ Der Rest der Klasse macht sich Sorgen. Klar, natürlich, schon immer gab es in der Klasse gläubige Christen, gläubige Muslime, Aleviten und auch natürlich Jugendliche, die überhaupt nicht religiös sind. Die Klasse wendet sich an euch als Klassensprecherteam, um eine Lösung für die Situation zu erarbeiten.
Eure Aufgabe:
Als Klassensprecherteam sollt ihr euch überlegen, wie die Klasse mit den Äußerungen von Ahmat umgehen soll und wie man ihn unterstützen kann. Bereitet dafür eine Präsentation für eure Klasse vor, in der ihr folgende Aspekte vorstellt:
- Diskutiert, welche Äußerungen von Ahmat noch vertretbar sind und welche ein Anzeichen dafür sind, dass er hier eine radikale Meinung vertritt.
- Notiert in eurer Präsentation die jeweilige Äußerung oder das Verhalten und erläutert, ob die jeweilige Handlung noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist oder ob man hier eingreifen müsste.
- Entwickelt Vorschläge, was die Klassengemeinschaft machen kann, um Ahmat zu überzeugen, dass seine Ansichten falsch sind. Bedenkt dabei, dass es nicht darum geht, ihm Vorwürfe zu machen, sondern ihn von seiner Meinung abzubringen. Schreibt eure Vorschläge in der Präsentation auf.
- Differenzierungsaufgabe:
Recherchiert im Internet: An welche Personen und/oder regionale Anlaufstellen können sich Schülerinnen und Schüler wenden, wenn sie Erfahrungen mit radikalen Äußerungen mit religiösem Hintergrund machen?
Stellt in der Präsentation eine Liste zusammen und erläutert kurz zu jeder Person oder jeder Anlaufstelle, welche Art von Hilfe (oder Information) man hier bekommt.
Situationskarte 3: Layla (15),
Schülerin an einer Realschule im MünsterlandDie Situation:
Layla ist Schülerin an einer Realschule in einem eher ländlichen Teil des Münsterlands. Eigentlich fällt sie in ihrer Klasse überhaupt nicht auf: Sie trifft sich gerne mit anderen Mädchen, spielt in der Mädchenmannschaft des Handballvereins, war mal für das Klassenbuch zuständig und hat ordentliche, aber auch keine herausragenden Noten. In der Klasse war sie nicht die beliebteste Schülerin, hatte aber auch immer Freunde, die mit ihr die Zeit in den Pausen verbracht haben.
Allerdings hat sich in den Sommerferien einiges getan. Am ersten Schultag geht sie Hand in Hand mit Lisa, einer Schülerin aus der Parallelklasse, auf den Schulhof. Vor der Klasse gibt sie Lisa einen Kuss auf den Mund und drückt sie lange. Einige Schülerinnen und Schüler aus ihrer Klasse gucken komisch, andere scheint es nicht zu interessieren.
Auch in den Pausen verbringt Layla jetzt viel Zeit mit ihrer Freundin Lisa. Während die meisten Schülerinnen und Schüler die Veränderungen bei Layla akzeptieren, fangen einige andere an, das Verhältnis von Layla und Lisa zu kommentieren: „Baaaaaaah, guckt euch mal die Lesben da an!“, „Ekelhaft, wie die da rumknutschen, ständig stecken die sich ihre Zungen in den Hals!“, „Nehmt euch mal ein Zimmer, ist ja nicht auszuhalten hier!“ – das sind einige der Sprüche, die dann über den Schulhof gerufen werden.
Layla und Lisa scheinen die Sprüche wenig auszumachen. Zumindest beschweren sie sich nicht bei ihren Klassenlehrerinnen. Der Rest der Klasse ist etwas unschlüssig. Während einige Mädchen es „doof“ finden, dass Layla und Lisa sich solche Sprüche anhören müssen, machen sich andere über das Paar lustig. Von einigen Jungs kommen Kommentare wie: „Geil ey, guck mal die beiden, ist ja wie im Porno!“
Am ersten Tag nach den Herbstferien wird in der Klasse getuschelt und geflüstert: Layla hat sich die Haare gefärbt, an den Seiten abrasiert und sitzt mit einem T-Shirt in der Klasse, auf dem der Slogan „Gay pride worldwide“ aufgedruckt ist. Einige Mitschüler regen sich darüber auf: „Immer diese Vorzeigelesben! Warum müssen die das unbedingt so raushängen lassen, ständig bekommt man das auf die Nase gebunden, dass die auf das gleiche Geschlecht stehen! Das nervt!“ Eine andere Schülerin behauptet: „Langsam reicht´s. Das ist doch einfach widernatürlich, das ist abnormal! Mädchen sollten auf Jungs stehen!“ Ein anderer Schüler ergänzt: „So sieht´s aus! Das steht doch auch im Koran und selbst in der Bibel. Homosexualität ist eine Sünde, das macht ein ehrenhafter Mensch nicht!“
In einer Mittagspause eskaliert die Situation schließlich. Als Layla von den ständigen Sprüchen schließlich genug hat, sagt sie einem Jungen: „Hör endlich auf damit! Du hast nicht darüber zu entscheiden, mit wem ich zusammen bin und ob das ein Junge oder Mädchen ist!“ Daraufhin schubst sie der Junge vor sich her und brüllt: „Sei mal froh, dass du überhaupt noch hier sein darfst! In anderen Ländern hätte man euch weggesperrt in die Anstalt oder mal ordentlich verprügelt. Und so sollte man mit solchen wie euch auch umgehen!“
Eure Aufgabe:
Als Klassensprecherteam sollt ihr euch überlegen, wie die Klasse mit den Äußerungen gegenüber Layla und Lisa umgehen soll und wie man die beiden unterstützen kann. Bereitet dafür eine Präsentation für eure Klasse vor, in der ihr folgende Aspekte vorstellt:
- Diskutiert, wwelche Äußerungen der anderen Schülerinnen und Schüler noch vertretbar sind und welche ein Anzeichen dafür sind, dass die Mitschüler hier eine radikale Meinung vertreten.
- Notiert in eurer Präsentation die jeweilige Äußerung oder das Verhalten und erläutert, ob die jeweilige Handlung noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist oder ob man hier eingreifen müsste.
- Entwickelt Vorschläge, was die Klassengemeinschaft machen kann, um Layla und Lisa zu unterstützen. Bedenkt dabei, dass es nicht darum geht, den anderen Schülern Vorwürfe zu machen, sondern sie von ihrer Meinung abzubringen. Schreibt eure Vorschläge in der Präsentation auf.
- Differenzierungsaufgabe:
Recherchiert im Internet: An welche Personen und/oder regionale Anlaufstellen können sich Schülerinnen und Schüler wenden, wenn sie Erfahrungen mit homophoben Äußerungen machen?
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